Dorfkirche Birkholz

![]() Steckbrief
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16321 Bernau OT Birkholz | Barnim |
Feldsteinsaal des 13. Jh., jetzt teilrestaurierte Kirchenruine | Anmeldung über das Pfarramt, Tel. 030-9413138 |
Erfolgreiches Scheitern aus den Trümmern einer ruinierten Kirche
Text: Sascha Topp
Wäre das Patrozinium für die Birkholzer Dorfkirche bekannt, ließe sich vielleicht aufklären, weshalb der spätromanische eingezogene Chor zum Kirchenschiff leicht geneigt steht. Ob hier eine erste hölzerne Kirche im Zuge der Christianisierung umbaut wurde oder auch eine steinerne Apsis bestand, konnte bauforscherisch noch nicht erhellt werden. Alle Merkmale des Mauerwerkes der dreigliedrigen Kirche: die originalen Fenster, die Satteldachneigung über dem Chor und das Alter des Eichenholzes weisen auf eine Entstehung in den 1260er Jahren hin. Wiederum das gestärkte Turmfundament, hoch sitzende Fensteranlagen und auch die vielleicht früher monumentaleren Kirchhofmauern gaben Anlass zu Spekulationen über eine frühgotische Wehrkirchenanlage. Birkholz repräsentiert dagegen aber eine der brandenburgischen Schutzkirchen einfacherer Art, die jedoch im 16. Jahrhundert interessante Veränderungen erfuhr. Das Kirchenschiff wurde mit Kreuzrippen eingewölbt, an der nördlichen Kirchenwand entstand eine Sakristei, im südlichen Bereich als Schleppdach verlängert eine Leichenhalle. Der ursprüngliche Granitturm könnte statisch sicher gut 40 Meter hochgeragt haben. Vielleicht wurde er geschliffen, 1829 jedenfalls erfolgte Ersatz durch einen neuen Turm mit verschiefertem Helm nach Architektenentwurf von Salomo Sachs (1722-1855). Im Innern war eine geschwungene Orgelempore von 1712 vorhanden. Noch in den 1930er Jahren war das Inventar äußerst reichhaltig. Dazu zählte eine von Engel getragene verzierte Kanzel mit Tafeln der Evangelisten. Ein Teil des Inventars wie die Taufe aus dem 16. Jahrhundert, Altarbekrönungen oder Epitaphe wanderten offenbar in die Bestände des Märkischen Museum in Berlin. Andere gerettete Stücke gelangten auf Umwegen in die Kirche zurück.
Es müssen besondere Gründe vorliegen, eine Dorfkirche mehrfach als Kirche des Monats in das öffentliche Bewusstsein zurückzuholen. Birkholz (07/2007) bietet hierfür gleich mehrere Anlässe. Es ist eine äußerst belebte Kirche, und doch nur eine gesicherte Ruine. Das Gebäude war reich an regionalgeschichtlicher Prägung seit dem 13. Jahrhundert. Doch vieles ging im 20. Jahrhundert unwiederbringlich verloren. Die Kirche wurde in den zurückliegenden Jahren intensiv beforscht, denkmalpflegerisch betreut und doch sind wieder neue Gefahrenzonen entstanden. Dringende Sicherungsmaßnahmen stehen an, die derzeit nur durch Notabsperrungen angekündigt stehen.
Die Dorfkirche wurde nicht etwa durch Kriege zur Ruine. Es war eine Entscheidung zur Sprengung des baufälligen Kirchturms im Jahr 1972, die gegen den Willen der Birkholzer erfolgte. Geld zur Sanierung fehlte seitens der Kirche, ein Antrag zum Aussetzen des Denkmalschutzes wurde aufgesetzt. Doch die Sprenglöcher wurden zu tief gesetzt, das Kirchenschiff samt Inventar nicht gesichert. So nahm die Katastrophe ihren Lauf. Der Turm stürzte nicht etwa auf die seit Langem notgesperrte Straße, sondern auch auf das Kirchenschiff. Ein Onlinemuseum liefert Material zur Geschichte der wunderbaren Birkholzer Kirche, zugleich Bild- und Schriftquellen zum Erinnerungsstreit um die Verantwortlichkeiten der 1970er Jahre. http://www.ortsbeirat-birkholz.de/Erreichtes-Online-Museum-Birkholz
Wohl keine andere Dorfkirchengeschichte ist so kurios in ihrer unnötigen Zerstörung wie diese, keine stimmt so nachdenklich. Aber auch keine andere war aus dem Sprengschutt auch mit so erfüllter Hoffnung auf Hilfe verbunden. Der aktiven Kirchengemeinde gesellte sich 2002 der Förderverein Dorfkirche Birkholz hinzu. Der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. unterstützte so gut es ging (siehe diverse Zeitungsartikel auf der Homepage www.altekirchen.de). Gemeinsames Ziel aller schien die Wiederherstellung des Dorfbildes aus dem 19. Jahrhundert zu sein. Und Bemerkenswertes wurde seitdem erreicht. Unter anderem entstand ein transparentes Schutzdach (2001), zuletzt eine Holzverschalung zum Schutz des mittelalterlichen Jochbogens (2016). Doch nun musste sich der Förderverein nach über 20-jährigem Bestehen auflösen, ohne sein mit Zuversicht angepacktes Fernziel „Wiederrichtung der Kirche“ erreicht zu haben. Die engagierten Menschen in Birkholz haben es verdient, in ihrer Hoffnung auf Wiederherstellung ihrer Kirche weiter aufgerichtet zu werden. Soll wirklich unmöglich sein, was an anderen brandenburgischen Dorfkirchen gelang? Kirchenliebhaber müssen gemeinsam erfolgreich weiterscheitern bis zum Tag der Erneuerung der Birkholzer Dorfkirche! Der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg sammelt Spenden für die Erhaltung und Wiedererrichtung der Dorfkirche.
Weitere Informationen:
Adresse der Kirche: Dorfkirche Birkholz, Birkholzer Dorfstraße 6, 16321 Bernau OT Birkholz (Barnim)
Ev. Kirchengemeinde Ev. Pfarramt Lindenberg, Wartenberger Str. 3, 16356 Ahrensfelde OT Lindenberg, Tel. 030-9413138, pfarramt.lindenberg@internetgate.de, https://www.kirche-berlin-nordost.de/gemeinden/birkholz
Spendenkonto: Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V.
Evangelische Bank – IBAN: DE94 5206 0410 0003 9113 90
Verwendungszweck: Dorfkirche Birkholz (Barnim)
Historischer Text von 2007 ↓
Den auf dem Dorfanger gelegenen Kirchhof von Birkholz betritt der Besucher durch ein gut erhaltenes gotisches Spitzbogenportal in der aus Feldsteinen gefügten Friedhofsmauer. Das hier befindliche Kirchengebäude bietet einen zunächst ungewohnten Anblick: Nur der eingezogene Chor hat noch das ursprüngliche Spitzdach. Das im Westen anschließende Kirchenschiff und der in gleicher Höhe erhaltene Turm sind flachgedeckt und wirken dadurch langgezogen und geduckt.
Durch dendrochronologische Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Eichenbäume für den Dachstuhl des Chores im Jahr 1266 gefällt wurden. Dies müsste also in etwa der Zeitraum sein, in dem die Birkholzer Kirche fertiggestellt wurde. Im 15. bzw. 16. Jahrhundert wurden nördlich an den Chor eine Sakristei und im Süden eine Leichenhalle angebaut.
Das Inventar der Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim beschreibt im Jahre 1939 noch einen „stattlichen Westturm von 1827 … auf den Grundmauern eines alten, mit dem Schiff gleichbreiten Granitturmes aufgebaut“, von dem jedoch nur die erwähnten Grundmauern erhalten sind.
Ende April 1945 erhielt der Kirchturm beim Vormarsch der Roten Armee auf Berlin einen Granattreffer und wurde beschädigt. Notwendige Reparaturen waren nach dem Krieg nicht möglich. In Folge eines Blitzeinschlages geriet der Turm 1964 zusätzlich in Brand. Im Oktober 1972 schließlich wurde ñ gegen den ausdrücklichen Protest der Birkholzer Kirchengemeinde ñ der Kirchturm gesprengt. Dabei stürzte er auf das Kirchenschiff und zerstörte dessen Dach und Gewölbe. Auch der größte Teil des Inventars wurde zerstört oder ging anschließend verloren.
Erst nach der Wende war es möglich, die Ruine vom Schutt zu befreien und erste Maßnahmen zur Sicherung einzuleiten. Durch den Einbau einer Glaswand entstand im Chor ein nutzbarer Raum, in dem 1992 erstmals wieder ein Weihnachtsgottesdienst gefeiert wurde. Dank einer privaten Spende erhielt das Kirchenschiff 2001 ein flaches Glasdach.
Der 2002 gegründete Förderverein Dorfkirche Birkholz veranstaltet inzwischen Sommerkonzerte und Ausstellungen in der Kirche. Zahlreiche Arbeiten zur Restaurierung des Kirchengebäudes konnten in den letzten Jahren ausgeführt werden, vieles davon geschah durch Eigenleistungen der Vereinsmitglieder. Der Innenraum erhielt einen Steinfußboden, die Gruft mit dem Heizungskeller wurde saniert und die offenen Fugen der Außenmauern wieder geschlossen. Das Turmkreuz wurde restauriert und neu vergoldet. In Zusammenarbeit mit der Technischen Fachhochschule Berlin entstand eine umfassende Bauaufnahme.
Vor kurzem wurden in einem Abstellraum der Kirche im benachbarten Blumberg drei von ursprünglich vier Kanzeltafeln entdeckt, die die einzigen Reste des ehemals reichhaltigen Inventars darstellen. Die geschnitzten Darstellungen der Evangelisten entstanden 1681. Eine Festigung der vorhandenen Farbfassungen sowie ein restauratorisches Gutachten sind dringend vonnöten. Die dafür benötigten finanziellen Mittel sind überschaubar, können jedoch von Verein und Kirchengemeinde derzeit nicht allein aufgebracht werden. Zur Wiederbelebung des Kirchenraumes sind die geschnitzten Bildtafeln jedenfalls von unschätzbarem Wert.
Langfristiges Ziel der Birkholzer ist es, den zerstörten Kirchturm originalgetreu wieder aufzubauen. Bis dahin ist es noch ein langer und schwieriger Weg. Um die wieder erstehende Birkholzer Kirche bildet sich jedoch eine Gemeinschaft, die durch die Zerstörung des Gebäudes 1972 stark beeinträchtigt wurde.