Eine Ruine avanciert zur Kulturkirche

Auch der erste Täufling wartet schon

Im havelländischen Landin gibt es guten Grund zum feiern

Erstmals nach rund einem Vierteljahrhundert ruft die alte Kirchenglocke im havelländischen Landin wieder zu einem Gottesdienst. Es ist ein Festtag. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten steht die Kirchenpforte nun offen für vielfältige Begegnungen.

Das ganze Dorf ist an diesem Tag auf den Beinen. Das ganze Dorf – das sind knapp siebzig Einwohner, nur wenige gehören zur Kirchengemeinde. Aber sie alle haben auf ihre Weise Anteil an der Rettung des Baudenkmals, fast jeder dritte Landiner ist Mitglied des örtlichen Kirchenfördervereins.

Die ersten Besucher haben auf den Bänken unter freiem Himmel Platz genommen. Wegen der Corona-Krise findet der Gottesdienst nicht in der Kirche von Landin statt.

Jetzt kommen die Ersten den Kirchhügel herauf. Torten werden auf Händen balanciert, Töpfe und Schüsseln auf Handwägelchen herbei gezogen. Viele haben etwas vorbereitet zur Bereicherung des Buffets, das auf dem Außengelände schon vorbereitet wird.

Wer noch keinen Blick ins Innere werfen konnte, nutzt jetzt die Gelegenheit und staunt: Sonnenlicht fällt durch intakte Fenster in einen hellen, freundlichen Raum; restaurierte Patronatsloge; eine zur Winterkirche umgebaute beheizbare Empore; darunter eine Teeküche und ein offener Raum, in dem gerade ein Video über die Sanierungsarbeiten läuft. In Vorausschau auf die künftige Nutzung als Kunst– und Kulturkirche präsentieren bildende Künstler des Ortes schon einige ihrer Werke.

Noch baumeln von der Decke Kabel mit nackten Glühbirnen, wo später schlichte Lampen hängen werden; noch wartet der konservierte Kanzelaltar auf seine Restaurierung. Aber damit kann man warten und inzwischen grübeln, wie auch dafür noch das Geld zusammenkommen soll. Wem es gelungen ist, aus einer Ruine ein Kleinod zu machen, der wird auch das schaffen.


Erste Hausbesetzer brachten früh neues Leben in die alte Kirche. Im Brutkasten auf dem Dachboden zogen Schleiereulen sechs Küken auf

Bevor die Handwerker Anfang vorigen Jahres mit ihrer Arbeit begannen, war die einsturzgefährdete Kirche sehr lange gesperrt. Hätten die beiden Turmuhren damals funktioniert – auch sie versehen nun wieder ihren Dienst –, sie hätten fünf Minuten nach zwölf angezeigt.

Inzwischen haben die ersten Besucher auf den Bänken unter freiem Himmel Platz genommen. Wegen der Corona-Krise findet der Gottesdienst nicht in der Kirche statt. Viele sind auch aus den Nachbargemeinden herüber gekommen. Der Jüngste von allen ist der kleine Marten. Er ist bereits angemeldet für die erste Taufe in der restaurierten Kirche. Sein Onkel Tim und künftiger Taufpate wiederum war der letzte Konfirmand, bevor das Gotteshaus gesperrt werden musste. Weitestgereister ist Hans-Ulrich Marcks aus Hamburg, der den Gottesdienst musikalisch am Klavier begleitet. Er war auf einer Exkursion des Förderkreises Alte Kirchen von Arnulf Kraft auf Landin aufmerksam gemacht worden und nimmt seitdem regen Anteil am Geschehen rund um die alte Dorfkirche. Mehr als 18.600 Euro flossen aus Mitteln des Förderkreises Alte Kirchen und seiner Stiftung nach Landin.

Nach der Predigt von Pfarrer Stefan Huth zum Erntedankfest kommen zwei zu Wort, die nicht erst seit Baubeginn vor knapp zwanzig Monaten den meisten Stress um die Ohren hatten: Gert Dittrich, Vorsitzender des Fördervereins zur Erhaltung der Dorfkirche Landin, und Andreas Tutzschke, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Ohne das enge Zusammenwirken von Gemeinde und Förderverein wäre die Rettung des einst völlig maroden Baus  nicht möglich gewesen. Beide danken den vielen Unterstützern, Sponsoren und Helfern. Für die fleißigen und sehr engagierten Handwerker war schon Tage zuvor eine Dankeschön-Feier ausgerichtet worden.

Arnulf Kraft hat sich als Regionalvertreter des Förderkreises verdient gemacht. Das Foto mit der Landiner Spenden-Orgelpfeife entstand vor einem Jahr als Arnulf Kraft zu letzten Mal in Landin war.

Und auch für jene verdienten Freunde, die diesen Tag nicht mehr miterleben können, werden herzliche Worte gefunden. So für Arnulf Kraft, der als zuständiger Regionalvertreter des Förderkreises Alte Kirchen die Arbeit des Landiner Vereins von Beginn an begleitet hat. „Wir hatten das Glück, ihn als hilfs- und ideenreichen Partner und verlässlichen Freund kennen zu lernen“, sagt Gert Dittrich. „Ohne seine Unterstützung wären wir jetzt noch lange nicht am Ziel.“ Auf den Tag genau ein Jahr zuvor war Arnulf Kraft zum letzten Mal in Landin ). Er starb im Frühjahr dieses Jahres. Beim Fest rund um die sanierte Kirche fehlt er nun allen. Sein guter Freund Hans-Ulrich Marcks spielt für ihn einen Choral von Bach, wie er es ihm am Krankenbett versprochen hatte.

Eva Gonda Fotos: Gonda, Förderverein Landin

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