„Aufgeschlossen – Kirche als öffentlicher Raum“
Unter diesem Thema fand in Erfurt vom 19. bis zum 22. September der 29. Evangelische Kirchbautag statt
Aufgeschlossen – darauf wurde bereits in der Einladung Wert gelegt – ist dabei durchaus im doppelten Sinne gemeint: einmal als das tatsächliche Aufschließen und Zugänglichmachen der Kirchengebäude in Städten und Dörfern, zudem aber auch als Aufgeschlossenheit „gegenüber zeitgemäßen, gemeinschaftlichen Nutzungen mit dem Ziel, Kirche als Zeichen des Glaubens, als öffentlichen Ort wieder stärker in den Blick zu rücken und somit das bauliche Erbe für kommende Generationen zu erhalten“.
Die Themen der mittlerweile alle drei Jahre stattfindenden Kirchbautage spiegeln auch die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen ihrer Zeit wider. In den 40er und 50er Jahren – der 1. Evangelische Kirchbautag fand bereits 1946 in Hannover statt – ging es um den Wiederaufbau der im Kriege zerstörten Gotteshäuser und den Neubau von Kirchen „in der Stadt der Zukunft“ (1957) bzw. in der „Zivilisationslandschaft“ (1963). In den späten 60er und in den 70er Jahren war er geprägt von der Diskussion: Kirche oder modernes Gemeindezentrum (Bauen für die Gemeinde von morgen“, 1969). Nach der Wiedervereinigung wurde mit dem gewaltigen Nachholbedarf bei der Sanierung von Kirchen im Osten Deutschlands noch einmal ein wichtiger Gegenstand für Vorträge und Diskussionen gefunden („Denkmal Kirche? Erbe – Zeichen – Vision“, 1996).
Nun in Erfurt also Kirche als öffentlicher Raum. Kirchenneubauten gibt es so gut wie nicht mehr im sich selbst säkularisierenden Deutschland. Im Gegenteil: Die Aufgabe von Kirchen, ihr Verkauf oder sogar der Abriss ist inzwischen in etlichen Regionen zum Normalfall geworden und erregt die Öffentlichkeit kaum noch. Welche Rolle kann das Kirchengebäude, das an den Sonn- und Feiertagen von immer weniger Gottesdienstbesuchern betreten wird, in Zukunft spielen? Wie kann eine „außerkirchliche Öffentlichkeit“ für die zunehmend von den Gläubigen gemiedenen Sakralgebäude interessiert werden? Unsicherheit herrschte da bereits bei der Wortwahl der Referenten: Umnutzung, Nachnutzung, Quernutzung, Nutzungserweiterung, Nutzbarkeit waren nur einige der Begriffe, die bei allen optimistischen Floskeln auch die Unsicherheit im Umgang mit Gebäuden zeigte, die einst zum Lobe Gottes gebaut wurden, während Gott aus dem Alltag der allermeisten Menschen bereits verschwunden ist.
Eingeladen nach Erfurt hatte die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands (EKM). In Thüringen als Teil der EKM sind von etwa 2.000 Kirchengebäuden bereits heute etwa 500 so gut wie ungenutzt. Anlässlich des Reformationsjubiläums wurde als gemeinsame Initiative der Landeskirche und der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen das Projekt „Stadt.Land.Kirche. Querdenker für Thüringen 2017“ ins Leben gerufen. Gesucht wurden Ideen für den Umgang mit leerstehenden Kirchen.
In einer Ausstellung in der Erfurter Kaufmannskirche und einer anschließenden Publikation wurden Vorschläge für Neunutzungen und erste Ergebnisse ihrer Umsetzung präsentiert. Entstanden ist ein inspirierender Ideenfundus, der zur Auseinandersetzung mit unserem (bau)kulturellen Erbe anregt und dazu auffordert, zu dessen Bewahrung neue Wege zu gehen. Nicht jede der vorgestellten Ideen ist umsetzbar, manche unrealistisch, zu teuer oder der Würde des Raumes nicht angemessen. Wichtig jedoch ist, dass hier erstmals über den Umgang auch mit ländlichen Kirchen in Dörfern und Kleinstädten in größerem Umfang nachgedacht wurde. Die hier begonnene Diskussion sollte weitergeführt und intensiviert werden!
Das hätte ich mir stärker auch vom Erfurter Kirchbautag gewünscht, bei dem die Referate zum Teil akademische Hilflosigkeit zum Ausdruck brachten. Für etliche der etwa 600 Besucher blieb das Fazit: Schön, sich mal wiedergesehen und Gelegenheit zu netten Gesprächen gehabt zu haben. Für eine Institution wie den Evangelischen Kirchbautag ein bisschen wenig.
Bernd Janowski