In der einstigen Eliaskirche haben heute Kinder das Sagen
Umgenutzte Kirchen in Berlin-Brandenburg
Höhenangst hat hier keiner. Flink wird Stufe um Stufe erklommen. Ein neugieriger Kinderblick nach unten, und schon geht es weiter. Über sechs Etagen erstreckt sich das riesige labyrinthische Kletterregal mitten im Kirchenschiff der einstigen Eliaskirche im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Kinder von drei Jahren aufwärts haben hier das Sagen, seit 2003 das MACHmit! Kindermuseum in den denkmalgeschützten roten Backsteinbau einzog.
Zwei Jahre zuvor sah sich die Kirchengemeinde wegen Schwammbefalls des Gebäudes und leerer Kassen dazu veranlasst, nach einer neuen, möglichst öffentlichen Nutzung für ihre Kirche zu suchen. Zur gleichen Zeit bemühte sich das Kinder- und Jugendmuseum in Prenzlauer Berg um einen neuen Standort. Welch glückliche Fügung: Die Idee zum Museum im Kirchenbau war geboren. In der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH wurde mit der Evangelischen Landeskirche ein Erbbauvertrag über 75 Jahre unter der Auflage einer Grundinstandsetzung des Gebäudes abgeschlossen. Unterstützung für die Außenarbeiten kam von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD).
Die vom Regierungsbaumeister Gustav Werner und dem Architekten Fritz Förster erbaute Eliaskirche war 1910 eingeweiht worden. Wenn sie nun auch nach über 90 Jahren als Gotteshaus aufgegeben wurde, so sind doch Geist und Form des Sakralbaus erhalten geblieben. Mit Respekt gegenüber dem Denkmal wurde das Gebäude umgestaltet: die alte Orgel blieb erhalten, der Altarraum, den das Glasmosaik „Offenbarung des Johannes“ von Lothar Mannewitz schmückt, ist mit einer Tribünen- und Treppenanlage in ein Amphitheater für Veranstaltungen verwandelt worden. Der originale Taufstein wurde restauriert und schmückt nun den Innenraum des Kuppelsaales auf dem Hof des Gemeindehauses gleich gegenüber der Eliaskirche, der das Zentrum des heutigen Gemeindelebens ist.
Mit Museumsleiterin Uta Rinklebe mischen wir uns unter die zahlreichen Kinder, die in dem weitläufigen Gebäude hämmern und bohren, sägen und feilen. „Auf dem Holzweg“ heißt die interaktive Jahresausstellung, die vielfältigste Informationen zum Thema Holz kindgerecht aufarbeitet. Da kann gewerkelt oder der Waldapotheke und der Waldbademeisterin ein Besuch abgestattet werden. Waldvögel zwitschern und Kiefernnadeln duften. „Unser Museumskonzept ist dreigliedrig“, informiert Uta Rinklebe, „Zum einen die wechselnden Ausstellungen, zum zweiten die Werkstätten mit ihren kreativen Angeboten und nicht zuletzt der Bewegungsanreiz im Kletterregal.“ Dazu kommt noch die Bücherwunderkammer, in der es neben internationaler Lektüre noch viel zu entdecken gibt. Ausklopfer zum Beispiel: Wissen die Kleinen heute noch etwas damit anzufangen? Fröhliches Lachen ertönt, als sie sich gemeinsam an die Funktionen herantasten – für den Teppich, na gut, aber für den Po? Die Kinder nehmen die Information mit, dass es seit 2000 gesetzlich verboten ist, Kinder zu schlagen.
Und ganz aktuell gibt es seit dem 30. Oktober die Sonderausstellung „Was ist ein Kerzenmeer?“ Kuratorin Uta Rinklebe ließ Zeitzeugen der Friedlichen Revolution von 1989 von ihren Kindern und Enkeln befragen. Warum wurde damals demonstriert? Wer war dabei? Warum leuchteten überall Kerzen? Kann man die Schülerdemos zur Klimarettung und die Proteste von vor 30 Jahren vergleichen? Berührende Geschichten aus den Monaten vor dem Mauerfall regen zum Gespräch zwischen den Generationen an.
Wer finanziert nun dieses einmalige Zentrum für Kinderglück? Die GmbH muss ihr Geld überwiegend selbst erwirtschaften, erfahren wir von der Museumsleiterin. Nur kleine Zuschüsse gibt es von Senat und Stadtbezirk.
Wie gut, dass das Lern- und Spielmuseum so beliebt ist und rege besucht wird. Es hat die einstige Eliaskirche wieder zu einem lebendigen Ort mitten in der Stadt gemacht.
Bärbel Möricke