„Nicht jeder kann mit jedem, aber es funktioniert.“
Fördervereine bei der Arbeit – ein Beispiel aus Hermersdorf

Eine meiner ersten Reisen als frischgebackener Regionalbetreuer 2024 führte mich nach Hermersdorf in der Nähe von Müncheberg (Märkisch-Oderland). Ich besichtigte dort natürlich die Kirche und nahm dann an einer Vorstandssitzung des Fördervereins Dorf und Kirche Hermersdorf e.V. teil. Wir saßen in der Wohnküche eines Vorstandsmitglieds bei heißem Tee und es war nett, konstruktiv und kurzweilig. Am Ende wurde ich in den Verteiler der „schönen Vereinsmails“ des Vorstandsmitglieds Christiane Heydenreich aufgenommen. Ich erfuhr in der ersten Mail, die bald darauf bei mir eintraf, von dem neuen Takt der Deutschen Bahn, dem nächsten Treffen des Ortsbeirats, einem Filmabend in Neuhardenberg, vom geplanten Krippenspiel am Heiligabend, der Silvesterfeier und Vielem mehr. Und ich hatte den Eindruck, es läuft gut hier und wollte verstehen, warum das so ist.
Es wird wohl die gute Mischung sein, meint Martin Schulze, der Vorsitzende. „Wir haben immer miteinander ganz unterschiedliche Leute angesprochen.“ Gleich zur Gründung im Jahre 2001
fanden sich Kirchen- und Nichtkirchenmitglieder zusammen, um die sehr renovierungsbedürftige Kirche für‘s Dorf zu retten. Denn die sollte aufgegeben werden. Heute umfasst der Verein etwa 50 Mitglieder. „Nicht jeder kann mit jedem, aber wir teilen uns das eben auf. Deshalb sind wir ein Sammelbecken für so sehr verschiedene Leute. Die Kirche ist nun ein Raum für alle und mancher betrat sie zum Konzert zum allerersten Mal in seinem Leben. Auch unsere Aktionen sprechen ganz verschiedene Leute an, nicht jeder liebt Alles. Aber ganz verschiedene Leute haben dafür den Hut auf und ziehen andere mit. Es ist ein Glücksfall – und ein Geschenk“, so Martin Schulze.
Ungewöhnlicherweise gibt es im Ort, der ca. 280 Einwohner hat, nur eine sehr kleine Anzahl von Familien, die über Generationen schon hier lebt. Nach dem Krieg kamen viele Flüchtlinge hinzu. Während der DDR-Zeit gab es einen Zuzug vieler neuer Mitarbeiter für die Groß-LPG, seit der Wende kamen viele Wochenend-Hermersdorfer. Neue aufzunehmen ist Tradition in Hermersdorf.
Wichtig für die Vereinsgemeinschaft im engeren Sinne sind die Aktivitäten. Es geht um Projekte, wie die Renovierung der Kirche in vielen Abschnitten, die einen ungeheuer langen Atem verlangen. Im Moment beschäftigt sich der Verein auch mit der Restaurierung von wiederentdeckten Altarfiguren und der Renovierung einer geschenkten Orgel (beides vom FAK gefördert). Der traditionelle Frühjahrsputz in der Kirche und das gemeinsame Müllsammeln auf Straßen und Wegen im Ort, das Maikranzbinden, das Suppenfest – das zieht Leute an. Andere kommen zur jährlichen Bilderausstellung in die Kirche oder sind glücklich bei einem Konzert. Auch Theater in der Kirche gibt es dann und wann. „Die Unterstützung ist uns gewiss, auch wenn es nicht die eigenen Interessen trifft“, sagt Christiane Heydenreich. „So brauchen wir immer eine Ausstellungswache für sechs bis acht Wochenenden. Das machen dann Nachbarn, die nicht unbedingt zum Kunstpublikum zählen. Man muss sie nur fragen.“
„Die Neu-Hermersdorfer sind ein großes Potential, wir nehmen sie gern auf“, so Martin Schulze. „Sie passen gut hierher, weil sie oft sehr aktiv sind und vor allem vorurteilslos auf alle zugehen.” Zum Beispiel hat eine Genossenschaft von Studenten eine alte Scheune im Ort gekauft, die sie ökologisch ausbauen. Die sind bei allen Festen mit vielen helfenden Händen dabei und verstärken auch die ortsansässige Volleyballtruppe. Einen guten Zulauf, auch aus den Nachbardörfern, hat die jährliche Pilzwanderung, die von drei Experten des Vereins betreut wird. Und natürlich treffen sich Viele zum jährlichen Vereinsausflug, z. B. zum Schiffshebewerk Niederfinow oder zur Orgelwerkstatt Scheffler in Sieversdorf. Ebenso wichtig wie das Ziel des Ausflugs sind Essen und Trinken, gern auch als Picknick. Da werden Mitstreiter für neue Ideen gesucht und gefunden. Denn das ist einer der Erfolgsfaktoren: Die Anstrengungen sind auf ganz viele Schultern verteilt. In der Orgelwerkstatt in Sieversdorf wurde übrigens die aufgefundene Orgel als kleine Sensation eingestuft. Zur Orgel mehr unter https://www.orgel-information.de/Orgeln/m/mu-mz/muencheberg_ev_m-hermersdorf.html. Sollte die Orgel einmal spielen, träumt der Vorstand von regelmäßigen Orgelkonzerten.

Großen Spaß geben immer die Aktionen mit Kindern. Mal eine Malwerkstatt, mal ein Kindertheater, wo die 3 bis 16-jährigen Kinder alles selber machen: Vom Stück ausdenken, über die Inszenierung, Kulissen und Kostüme. „Kommen die Kinder, kommen auch die Eltern“, meint Christiane Heydenreich. Die Kirche ist auch zu Weihnachten voll, dann gibt es auch ein Krippenspiel. Im Coronajahr hat man sogar mit etwa 30 Personen unter Regenschirmen draußen Weihnachten gefeiert, weil die Nutzung der Kirche verboten war.
Der Förderverein ist aber nur einer der Aktivpunkte Hermersdorfs. Hinzu kommen der Verein Eichendorfer Mühle e.V., der Suchtkranke betreut, einen Dorfladen betreibt und Räume zum Feiern und für Veranstaltungen bereitstellt, denn die hat der Förderverein nicht. Und ein reger Ortsvorstand, der z. B. einen Spielplatz bauen ließ und das jährliche Dorffest, das „Humpelbergfest“, finanziert, das auch wieder von einer Gruppe betreut wird, in der Vereinsmitglieder, Feuerwehr und Volleyballer gemischt sind.
Das alles zeigt ein funktionierendes Gemeinschaftsleben. Und das zu organisieren, ist nicht einfach, aber in Hermersdorf scheint es seit bald 25 Jahren – vor allem dank des Fördervereins – zu gelingen. Von Überalterung spricht man hier nicht mehr.
In den letzten Jahren haben sich überraschenderweise die Vereinsberichte und -aufrufe per Mail zum Hit entwickelt. Sie richten sich an den ganzen Ort – wer hier integriert sein will, muss und kann in den Verteiler, denn der ist offen für alle, nicht nur für Mitglieder. Auch Menschen aus den Nachbardörfern erhalten ihn und senden Informationen zu. Die unregelmäßigen E-Mails machen Appetit und erzeugen Gemeinschaftsgefühl. Zusätzlich werden aber für große Veranstaltungen noch Handzettel in die Briefkästen geworfen.
Der Vorstand meint, dass das Erfolgsrezept eine Mischung aus folgenden Faktoren sei: „Offenheit sei ganz wesentlich. Ein ‚Ihr könnt Euch hier engagieren‘, ‚Wir brauchen dort noch dringend Hilfe‘, ‚Könnt Ihr nicht mal …‘, bewirkt manchmal ein Wurzelschlagen. Verteilen von Aufgaben auf viele Schultern, dazu eine frische Kommunikation. Neugier auf Neues und große Träume und Vorhaben.“
Die hier gelebte offene Gemeinschaft erzeugt ganz nebenbei auch ausgewogene Wahlergebnisse.
Philipp Schauer, Christiane Heydenreich, Martin Schulze
