BUCHTIPP

Mut zum Experiment

Nimmt man das farbig illustrierte Buch in die Hand, bestechen als Erstes die warmen ineinander fließenden Farben und die Blickwinkel, die Lust machen, die vorgestellten Kirchen näher kennenzulernen und sich von der interessanten Architektur und liebevollen Gestaltung der teils sehr alten, teils nicht mal hundertjährigen Kirchengebäude inspirieren zu lassen. Die neuen oder geteilten Kirchennutzungen sehen auf dem Papier in erster Hinsicht im wahrsten Sinne des Wortes SCHÖN aus. Schöne Aussichten also?

Dorfkirche Gadow

Die Autoren gehen im Vorwort davon aus, dass ein Drittel aller Kirchen künftig ausschließlich liturgisch genutzt würde, ein Drittel durch Nutzungserweiterungen in kirchlicher Teilverantwortung bleiben und ein Drittel abgegeben werden würde. Es geht um eine tiefgreifende Veränderung in unserer christlich geprägten Gesellschaft in Deutschland und im Umgang mit unserem Kulturgut. Säkularisierung, Individualisierung, Pluralisierung, Traditionsabbruch, Vertrauensverlust, religiöses Desinteresse sind Entwicklungen, die dazu führen, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr evangelisch oder katholisch lebt. Doch was wird in den Kirchen, die früher Mittelpunkt der Orte und der Begegnung waren, zukünftig stattfinden? Wer kümmert sich um die historischen Gebäude, die Baudenkmäler, die reich an Kunstschätzen sind und meist den Kirchengemeinden gehören, die sie zum Teil finanziell und personell nicht mehr verwalten können? Die „Organisation Kirche“ setzt sich mit der aktuellen Situation auseinander und hat damit begonnen, „Kirche“ strukturell umzubauen. Die inhaltliche Auseinandersetzung der Autoren mit ihren zahlreichen Perspektiven aus Stadtplanung und Architektur, Baukultur und Denkmalpflege, Kunstgutschutz und kultureller Bildung, Kirche, Staat und Zivilgesellschaft, Theologie und Gemeindearbeit geben einen umfassenden Überblick über die aktuellen Fragen und Probleme zum Thema. Sie formulieren Antworten, wie es weiter gehen kann. Beispiele – überwiegend aus dem städtischen Raum – aus ganz Deutschland, aber auch aus Belgien, der Schweiz und den Niederlanden, zeigen, was bisher aus Kirchen geworden ist. Sie machen Mut zum Experiment, eine neue, lebendige und gemeinwohlorientierte Nutzung von Kirchen voranzubringen. Dazu bedarf es neuer Wege und neuer Partnerschaften vor Ort, aber auch Vertrauen zwischen gesellschaftlichen und kirchlichen Akteurinnen und Akteuren. Das Buch ist ein sehr empfehlenswerter Beitrag, der einerseits die Fachdiskussion abbildet, andererseits sie anregen soll.

Es fehlt eine für mich besonders wichtige Frage: Welche Unterschiede gibt es in der Verantwortung und Nutzung der Kirchen zwischen Großstadt- und Landbevölkerung?

Und noch ein kleiner, aber vernachlässigbarer Wehmutstropfen: Der Bucheinband könnte ruhig fester sein.

Anne Haertel

Klaus-Martin Bresgott / Johann Hinrich Claussen / Stefan Rhein:

LEBEN STATT LEERE
Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit unseren Kirchen

Hg. von Ev. Kirche in Deutschland (EKD)
Erschienen im Juni 2025
240 Seiten, über 180 farbigen Abbildungen
Broschur A4-Format

ISBN: 978-3-9823816-5-7
Schutzgebühr: 15 Euro zzgl. Versand

Zur Kirche
Vorheriger Beitrag
Mit dem Bus Richtung Süden

Exkursion nach Paplitz, Baruth, Kemlitz, Groß Ziescht, Schenkendorf Am frühen Morgen des 21. Juni 2025 fuhr uns der Reisebus von Berlin nach Süden in den Niederen Fläming und das Baruther […]

weiterlesen

Adventskalender

vom 1. Advent bis Heilig Abend

Erhalten Sie jeden Tag eine E-Mail des Förderkreises Alte Kirchen mit einer Zeichnung, guten Worten und Infos zu einer ausgewählten Brandenburger Dorfkirche direkt in Ihr Postfach.