Rückkehr einer Klangkönigin

Die Geschichte der Kirchenorgeln von Senzke im Havelland

Orgel nach Einbau in Senzke

In der Dorfkirche Senzke (Dorfkirche des Monats Juni 2022) klafft seit mehreren Jahrzehnten eine große Lücke auf der Orgelempore. Zuletzt stand dort bis etwa 1985 eine mechanische Pfeifenorgel. Sie wurde im Jahre 1879 von Friedrich-Hermann Lütkemüller erbaut und verfügte über sieben Register auf einem Manual und Pedal. 22 Jahre nach Einweihung des heutigen Kirchbaus (1879) hatte die Senzker Dorfkirche ihre erste Orgel erhalten. Jedoch wurde das Instrument während oder nach dem zweiten Weltkrieg derart zerstört, dass es in den 1980er Jahren endgültig entsorgt werden musste. Bis vor kurzem zeugten zahlreiche Metallpfeifen aus Orgelzinn von dem damaligen Instrument. Erfreulicherweise konnten davon einige gerettet und für die beabsichtigte Restaurierung einer anderen Lütkemüller-Orgel wiederverwendet werden.

Orgel am Standort Bad Belzig

Die Dorfkirche war im Zweiten Weltkrieg sehr in Mitleidenschaft gezogen worden, wovon Visitationsberichte des kirchlichen Bauamtes und Protokolle des Gemeindekirchenrates zeugen. In den vergangenen rund 20 Jahren wurde das Gebäude erneut saniert und damit die Grundlage geschaffen, um die wertvolle Innenausstattung zu restaurieren bzw. wie im Falle der Orgel zu ergänzen. Bekannt wurde die Dorfkirche durch die über achtzig Gemälde im Innenraum, mit Nachbildungen mittelalterlicher biblischer Kupferstiche, darunter die „Sintflut“. Theodor Fontane beschrieb sie in seinen Aufzeichnungen. Lange wurde diskutiert, ob die auf dem Bild des Untergangs zu erkennende Kirche diejenige von Senzke sein könnte. Interessant sind hierzu die Darlegungen des Historikers Rudolf Boenisch in „Offene Kirchen 2023“, der seine Leserschaft – so viel sei verraten – insoweit beruhigen konnte.

Wenn man die Empore erreichen will, verlässt man den Kirchenraum und steigt über die Holztreppe im Inneren des Kirchturms nach oben. Die heutige Orgel hat einen kleineren Korpus als die Vorgängerin und steht daher auf einem Podest. Aus dem Kirchenraum heraus ist der Orgelprospekt dadurch gut sichtbar. Der Klang kann sich voll entfalten. Das Instrument wurde 1909 von der Potsdamer Orgelbauwerkstatt Alexander Schuke gefertigt – ursprünglich für eine Dorfkirche in der Nähe der Stadt Havelberg. Als diese Orgel nicht mehr benötigt wurde, holte sie die Herstellerfirma zurück in ihre Werkstatt, wo sie in den 1990er Jahren umfänglich musikalisch restauriert wurde. Unter anderem wurde der Tretbalken entfernt, mit dem der Calcant seinerzeit den Blasebalg betreiben musste – ganz ohne Strom. Das Gehäuse samt Farbfassung sind jedoch noch bauzeitlich. Das Instrument verfügt über eine pneumatische Traktur, vier Register auf einem Manual und Pedal. Mit Hilfe der vorhandenen Pedalkoppel und einer Superoktavkoppel erreicht sie klanglich mindestens das Volumen ihrer Vorgängerin. Von 2013 bis 2024 stand die Orgel in der Stadtkirche Bad Belzig, zusammen mit weiteren Exponaten im „Brandenburgischen Orgelmuseum“, wo sie bei Konzerten und Gottesdiensten zum Einsatz kam. Mit der Schließung des Museums und dem Umbau der Stadtkirche fand sie Mitte 2025 ihren vorläufig letzten Standort in der Dorfkirche Senzke. Um die Nutzung muss man sich wohl keine Sorgen machen. Dank einer guten Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde sorgt der Tourismusverband Havelländisches Luch e.V. dafür, dass die Kirche in der Woche nahezu täglich offen ist. Am Wochenende bietet die Gemeinde mehrmals im Jahr kirchliche Veranstaltungen an, aber auch Konzerte sind denkbar – mit der Orgel haben sich die Möglichkeiten dafür wieder erweitert.

Die Orgel ist als freundliche Dauerleihgabe weiterhin Eigentum der Schuke Orgelbau GmbH in Werder/Havel. Für die Gemeinde war es dennoch eine finanzielle Herausforderung, die nur mit finanzieller Hilfe des FAK gemeistert werden konnte. Seit 2014 gehören die Pfeifenorgeln in Deutschland zum UNESCO Weltkulturerbe. Nach 40 Jahren Leerstand wurde die Orgelempore wieder ihrer Bestimmung zugeführt. Eine rege Nutzung zum Wohl der musica sacra sei ihr und dem Instrument gewünscht.

Andreas Flender

Zur Kirche
Vorheriger Beitrag
Wunder dauern etwas länger

Nach zwölf Jahren Sanierung ist die Dorfkirche in Dargersdorf schöner denn je Das Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut“ ist oft nicht wahr, wie man besonders in Berlin weiß. […]

weiterlesen
Nächster Beitrag
Durch die Zeiten verbunden

Eine unverhoffte Begegnung mit Jühnsdorfs Geschichte Die Märkische Elektrizitätswerk AG hat im April 1938 die Dorfkirche in Jühnsdorf an die Stromversorgung angeschlossen. Eine Rechnung vom 7. April 1938 in unserem […]

weiterlesen

Adventskalender

vom 1. Advent bis Heilig Abend

Erhalten Sie jeden Tag eine E-Mail des Förderkreises Alte Kirchen mit einer Zeichnung, guten Worten und Infos zu einer ausgewählten Brandenburger Dorfkirche direkt in Ihr Postfach.