Mit Engelsgeduld und handwerklicher Finesse
Gespräch zwischen Restauratorin Katharina Geipel und Regionalbetreuer Philipp Schauer

Katharina Geipel arbeitet seit 1981 als Restauratorin. Ihr Spezialgebiet ist die bemalte Innenausstattung von Kirchen, also die Restaurierung von Altären, Kanzeln, Gestühl, aber auch generell von Möbeln mit Farbfassung (für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten) oder Zierrahmen von Gemälden (für die Alte Nationalgalerie). Sie arbeitet auch vor Ort in den Kirchen selbst und nicht nur in Berlin und Brandenburg, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern. Aktuell ist sie in der Kirche von Dorf Mecklenburg mit der Restauratorin Annette Seiffert aus Wismar tätig, wo ich sie besuchte. Dem FAK ist sie unter anderem bekannt durch ihre Arbeit an den Altarfiguren von Hermersdorf. Gefördert hatten wir aber auch die Restaurierung des Altars der Dorfkirche von Melzow (Uckermark), die sie zusammen mit einer Kollegin und Studenten durchführte und des Altars von Rehfelde (Märkisch-Oderland). Weitere wichtige Aufträge waren der Altar der Klosterkirche Lehnin sowie das Anlegen einer Probeachse am Wagner-Orgelprospekt in der St. Marienkirche Angermünde und die Freilegung und Restaurierung eines Fanfaren-Engels dort.
Schauer: Wie läuft eine Restaurierung ab?
Geipel: Entscheidend ist der Zustand. Eventuell muss man zunächst Sicherungsmaßnahmen durchführen, um den Bestand zu erhalten – zum Beispiel wenn die Fassung abblättert. Vielleicht muss man sogar erst die Ursachen der Schäden erforschen und beseitigen – wie Holzwurm oder Feuchtigkeit. Dann folgt eine Untersuchung der Fassung, wobei es wünschenswert ist, dass diese Arbeit im Finanzierungsplan enthalten ist. Mit dem Auftraggeber und den Denkmalbehörden muss man dann die Konzeption und den Umfang der Arbeiten abstimmen. Das hängt alles vom Budget ab.
Schauer: Was sind dabei die Herausforderungen?
Geipel: Jedes Objekt hat seine eigenen Herausforderungen. Manchmal hat man die Schwierigkeiten zunächst nicht gesehen und sie stellen sich erst im Verlauf der Arbeit heraus. Dann muss man besprechen, wie man damit umgeht. Grundprinzip ist für mich, dass man so wenig wie möglich demontiert. Wir müssen uns also zum Objekt hinbewegen. Herausforderungen sind daher auch körperliche Haltungen, zum Beispiel wenn ich am Altarunterbau (der Predella) liegend arbeiten muss, wobei die Beine dann stören. Die Arbeit in Schutzanzügen, mit Masken, Handschuhen ist eine Herausforderung, wenn Holzschutzmittel (wie Hylotox) eingesetzt wurden und ich die Ausblühungen oder kontaminierte Stäube beseitigen muss. Das gilt manchmal auch für die Arbeit mit Lösungsmitteln beim Entfernen von Überfassungen.

Schauer: Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege vorstellen – was ist denen wichtig?
Geipel: Es ist ein schönes Miteinander. Man macht zunächst einen Termin vor Ort, bespricht den Umfang und die Art der Arbeiten, berichtet dann über den Fortgang, trifft sich erneut. Wichtig ist ihnen die Einhaltung der Absprachen und die Qualitätssicherung.
Schauer: Wie sehen Sie die restauratorische Lage in den brandenburgischen Dorfkirchen?
Geipel: Soweit ich das beurteilen kann, ist sie oft gut. Ich erhoffe und wünsche, dass es in der Zukunft so bleibt, auch wenn Gelder fehlen oder gestrichen werden – dass dann auf private Spender ausgewichen werden kann. Ich sehe eine Verpflichtung, das Kulturgut zu erhalten, auch für die nachfolgenden Generationen. Ich meine, dass wenn sich Spender in den Kirchen eingebracht haben, wir auch die Verpflichtung haben, die von ihnen finanzierten Arbeiten zu pflegen und zu erhalten. Daher sollten die erforderlichen „Wartungsarbeiten“ bei bereits restaurierten Objekten nicht unterschätzt werden. Die Planung einer künftigen Pflege, der Wartung des Objekts, ist sehr wichtig. Mit dem Eigentümer des Kunstgutes wird nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten ein Wartungsvertrag abgeschlossen, der in festgelegten Zeitabständen die Kontrolle des Zustandes und festgelegte Pflegemaßnahmen beinhaltet. Die Pflege ist zur Erhaltung sehr wichtig. Damit können zum Beispiel Schäden durch Klimaschwankungen oder -veränderungen frühzeitig erkannt und behoben werden. Es ist eigentlich ähnlich wie bei privaten Wartungen oder der Pflege von persönlichem Eigentum, wie Heizungsanlage oder des Autos.
Schauer: An welche Projekte erinnern sie sich besonders gerne und warum?
Geipel: Besonders gerne erinnere ich mich an Arbeiten in Gemeinschaft zum Beispiel mit Studierenden. Die Theorie ist wichtig, aber die Praxis hat ihre eigenen Herausforderungen: Wie lässt man ein Gerüst bauen, in welchen Bedingungen arbeitet man, wie hält man achtstündige Arbeitstage durch? Ich gebe gerne meine Erfahrungen und praktischen Kniffe weiter. Und so denke ich gern an die Arbeit am Altar von Melzow zurück, an die Arbeit im Schloss Mirow und am Taufgehäuse der St. Marienkirche in Stralsund. Mit manchen Studierenden bin ich heute noch in Kontakt.
Schauer: Warum sind sie Restauratorin geworden? Und wie wird man das eigentlich? Können Sie den Beruf jungen Leuten empfehlen?
Geipel: Erst wollte ich Kunstgeschichte in Leipzig studieren. Man sagte mir damals, ich sei zu jung. In dem „Umlenkungsgespräch“, wie man das damals in der DDR nannte, schlug man auch angesichts meiner schulischen Leistungen vor, ich solle mich für einen Studiengang der Restaurierung bewerben. Denn damals, 1972, kam der Beruf des Restaurators gerade erst auf, weil die DDR Mitglied der UNESCO geworden war und nun mehr Denkmäler restaurieren wollte. An der FH Potsdam wurde ich aber zunächst mit der Begründung abgelehnt, meine praktischen Fähigkeiten seien nicht gut genug. So begann ich dann ein Praktikum und arbeitete im Museum des Barockschlosses Rammenau bei Dresden. Daneben half ich einem Kirchenmaler bei der Freilegung von Gewölbemalerei. Und 1978 bewarb ich mich dann noch einmal in Potsdam – diesmal mit Erfolg.
Es ist eine schöne Arbeit, die ich jungen Leuten sehr ans Herz legen kann. Der Beruf erfordert naturwissenschaftliche Kenntnisse und ganz viel Geduld. Mich hat auch der Respekt vor dem Handwerk und die Achtung vor der Ausstattung der Kirchen und der Kulturgüter allgemein geprägt. Ich würde immer empfehlen, zunächst ein Praktikum zu machen. Es gibt verschiedene Ausbildungswege. Meistens aber macht man ein Studium der Konservierung und Restaurierung. Bekannte Hoch- und Fachhochschulen sind Dresden, Köln, Hildesheim, Potsdam, Berlin. Wenn man im Museum arbeitet, hat man Kontakt mit Kollegen, was schön ist. Und man kann eher den Originalzustand wiederherstellen, weil dort Fehlstellen oftmals belassen werden können. Aber auch die Arbeit in Kirchen bereitet mir Freude. Sie kann meditativ sein, und es können Kontakte mit Gemeindemitgliedern und Besuchern entstehen. Weil die Kunstwerke in Kirchen weiterhin in Gebrauch sind, sollten sie am Ende in einem Zustand sein, der ihre Nutzung nicht beeinträchtigt.
Schauer: Und jetzt noch zu unseren Hermersdorfer Altarfiguren: Was waren die Herausforderungen, welche unterschiedlichen Fassungen gab es, welche haben Sie konserviert?
Geipel: Natürlich waren die gut 30 Jahre, bis die Restaurierung abgeschlossen werden konnte und in denen sie bei mir lagerten, eine Herausforderung und Besonderheit. Es gab auf den Skulpturen insgesamt vier Farbfassungen. Ich habe die jüngste aus dem 19. Jahrhundert entfernt, weil sie nicht auf den Gewandverlauf Rücksicht nahm und Farben, wie zum Beispiel Grün, verwendete, die man früher an Gewändern nicht benutzte. (Anmerkung: Diese Übermalung war von Amtsgerichtsrat Franz Kuchenbuch, dem Leiter des Müncheberger Museums 1867 selbst aufgetragen worden). Seine Grundierung habe ich belassen, zum Schutz der darunter liegenden älteren Fassungsreste, deren Umfang unbestimmt ist. Nach den Befunden konnte ich die originale Farbgebung weitestgehend rekonstruieren. Die Gesichter von Skulpturen werden selten überstrichen, sondern oft nur gereinigt. Leider erfolgt diese Reinigung oftmals zu aggressiv, sodass nur noch die weiße Grundierung oder Untermalung erhalten sind. Weißpigmente sind auch sehr beständig. Die Gesichter zeigen ja den Charakter der Figuren. Die Gesichter von Petrus und Anna Selbdritt könnten also fast noch die Originalfassung besitzen, wenn auch nicht mehr vollständig. Diese habe ich erhalten.
Schauer: Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Philipp Schauer
