„Prüfet alles, und behaltet das Gute!“
1. Thess 5,21
Altarfigurenfest am 10. Mai 2025 in Hermersdorf
Märkisch Oderland ist eine vom Krieg gezeichnete Gegend. Das sieht man auch vielen Kirchen an, vor allem in ihrem oft etwas kargen Inneren. So auch in Hermersdorf. Umso mehr haben alte Ausstattungstücke hier einen besonderen Wert. Eine Odyssee erlebten die beiden Altarfiguren des ehemaligen Hermersdorfer Hochaltars, Petrus und Anna Selbdritt (Mutter Marias), von der ich erzählen will.



Der Hermersdorfer Altar wurde ca. 1520 geschaffen, in dem Jahr, in dem Papst Leo eine Bannbulle (ein Ultimatum) gegen Luther erließ. 1541 kam die Reformation in den Kirchenkreis. Eine Visitationskommission reiste an, begutachtete den Altar – und ließ ihn stehen, treu nach dem Bibelwort „Prüfet alles und behaltet das Gute!“, so erzählt es Pfarrerin Karin Bertheau. Die Figuren wurden also evangelisch. 1836/37 wurde ein neuer Altar aufgestellt. Die damals noch acht Figuren des alten landeten auf dem Dachboden des Pfarrhauses. Zwei Jahre nachdem 1865 das Heimatkundemuseum Müncheberg von Amtsgerichtsrat Franz Kuchenbuch gegründet wurde, entdeckte man die Figuren beim Umbau des Pfarrhauses und übergab sie dem Museum, wo Kuchenbuch Fehlteile ergänzte und sie neu bemalte, damit sie wieder „in ihrer ursprünglichen Schönheit erstrahlten“. Das, in einem Nebengebäude eines Guts untergebrachte Museum wurde 1945 zerstört. Nur die beiden Figuren Petrus und Anna Selbdritt konnten gerettet werden. Sie wanderten nun nach Berlin in den Konferenzsaal des Konsistoriums der evangelischen Landeskirche, „wo sie wieder Trost spendeten und vieles mithörten“, wie Karin Bertheau sagt. Als das Konsistorium 1992 umzog und vermutlich das Dekor modernisieren wollte, wurden die Figuren an die Restauratorin Katharina Geipel übergeben. Über 30 Jahre lagerten sie schließlich bei ihr, während über ihr Schicksal in unregelmäßigen Abständen beraten wurde.
Der 2001 gegründete Förderverein Dorf und Kirche Hermersdorf e.V. erfuhr 2002 von dem damaligen Pfarrer Uli Baller von der Existenz der Figuren. Sie wurden in der Werkstatt besucht, kurz in Hermersdorf ausgestellt, es gab erneut Besprechungen, sie kamen in die Kirche in Müncheberg in eine Vitrine. Aber erst Prof. Ortwin Simon, Mitglied des Förderkreises und „Sonderbeauftragter für die Figuren“, konnte den gordischen Knoten zum Thema ihrer Restaurierung durchschlagen. Da die Kirche in Müncheberg wegen der im Kirchenschiff eingebauten Bücherei eine Fußbodenheizung bekam und damit wechselnde Temperaturen, die Vitrine aber ein anderes Mikroklima braucht, machte man sich nun Sorgen um ihre Sicherheit.
Auch heute zum Abschluss der Restauration sind die Figuren in ihrem Heimatort Hermersdorf nur zu Besuch. Sie sollen vorerst die ebenfalls kriegszerstörte und etwas karge Kirche in Müncheberg schmücken. Aber, so Superintendent Frank Schürer-Behrmann, Petrus bleibe der Kirche Hermersdorf in den vier Wandmalereien (Berufung am See Genezareth, Erkennen von Jesus als Messias, Verrat, erste Pfingstpredigt) von Rudolf Grunemann aus den 1950-iger Jahren erhalten.
Katharina Geipel sagt, sie trenne sich von den beiden Figuren mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie habe sie in den über 30 Jahren liebgewonnen, aber auch immer Sorge um sie gehabt. Nun sind sie sehr schön geworden. Der katholische Bürgermeister von Müncheberg Fritz-Georg Streichert sagte, man habe ihnen „die Würde, Ausstrahlung und Seele wiedergegeben“. Sie stünden für Erinnerung, Glauben und Heimat und zeigten, wie reich unsere Geschichte sei. Der FAK hat die Restaurierung mitfinanziert.
Die abgeschlossene Restaurierung und Wiederkehr der Figuren wurde am 10. Mai mit einer Andacht und „Musik von Herzen“ der Gruppe „Salty Matches“ gefeiert. Kinder präsentierten zwei schöne, aus Verpackungsresten hergestellte Kunstwerke, die die beiden Figuren darstellen. Einer der Redner war auch Hans-Martin Meckel, Sohn des Pfarrers Ernst-Eugen Meckel, der den Wiederaufbau der Kirche nach dem Krieg geleitet hatte. Er hatte als Kind die frisch wiederaufgebaute Kirche erlebt, aber über die Jahre auch ihren allmählichen Verfall beobachtet.
Bei Kaffee und Kuchen wurde im Anschluss draußen weitergefeiert. Der Vorsitzende des Fördervereins, Martin Schulze, freute sich über den Erfolg, ebenso wie seine zahlreichen Mitstreiter. Und wer weiß, vielleicht ist die bewegte Geschichte der beiden Altarfiguren noch nicht zu Ende.
Philipp Schauer
